Günther Bentele und die Entdeckung der Malereien

"Es sei eben ein langweiliger Vortrag gewesen, erinnert sich Günther Bentele mit einem schelmischen Lächeln. Um sich abzulenken, habe er sich im damals als Veranstaltungsprovisorium genutzten Erdgeschoss des Hornmoldhauses etwas genauer umgesehen. Und an der Decke fiel ihm ein unregelmäßiger Farbverlauf auf."

Was sich dort und im gesamten Haus hinter abgehängten Decken, Tapeten und unter grauem Putz an prachtvollen Malereien aus der Renaissance verbarg, konnte 1976 noch niemand wissen. Die eher nebenbei gemachte Beobachtung war der Ausgangspunkt für die Wiederentdeckung eines wichtigen Kulturdenkmals in der Bietigheimer Altstadt und schließlich dessen Rettung und Sanierung. "Ich war überzeugt", so Bentele, Studiendirektor am Besigheimer Gymnasium, "dass noch mehr an Malereien zu finden sein müsste, dass es lohnend wäre, das Haus gründlich zu untersuchen."

"Des Glomb muß weg!"

Das Schicksal des Hornmoldhauses schien Mitte der 1970er Jahre besiegelt. An die Erhaltung der Altstadt oder gar eine historisch korrekte Sanierung des Bürgerhauses, mittlerweile Wohnraum für Gastarbeiterfamilien, dachte niemand. "Das Haus sollte abgewohnt werden", erinnert sich der gebürtige Bietigheimer. Unklar war lediglich, ob für ein mehrstöckiges Parkhaus in Zentrumslage oder für die geplante Erweiterung des Rathauses. Was die Bietigheimer Bevölkerung über das Gebäude dachte, fasst Bentele auf schwäbisch zusammen: "Des Glomb muss weg!" Die Mehrheit im Gemeinderat sah es genauso.

Entsprechend stark waren die Vorbehalte und Widerstände, denen sich Günther Bentele und seine Mitstreiter gegenüber sahen. 1974 hatte der Deutsch- und Sportlehrer die "Bürgerinitiative für eine Humane Stadt Bietigheim" gegründet. Auslöser für das bürgerschaftliche Engagement war zunächst die damalige Verkehrsplanung. Eine von Stelzen getragene Umgehungsstraße, die so genannte Südtangente, sollte entlang der Südseite der Altstadt gebaut werden. Die Sorge um die Bietigheimer Silhouette und die Bausubstanz des alten Stadtkerns wurden zu zentralen kommunalpolitischen Themen der nächsten Jahre.

Anfänge der Sanierung und erste Funde

Mitte der 1970er war das Interesse am Erhalt des Hornmoldhauses nur gering. „Ich wurde belächelt wie ein Kind, dem man sein Spielzeug nehmen will“, sagt Bentele über die Anfänge. Immerhin ließ ihm der damalige Oberbürgermeister Manfred List freie Hand. Als die erste Familie auszog, nutzte Bentele die Chance. Gemeinsam mit einem Restaurator machte er sich auf die Suche nach weiteren Malereien. Doch erst im zweiten Anlauf wurden sie tatsächlich fündig.

Was in den nächsten Wochen und Monaten folgen sollte, habe schon abenteuerliche Züge getragen, sagt Bentele heute. Kaum ein Tag sei vergangen, an dem man nicht eine faszinierende Entdeckung gemacht habe. Besonderes Highlight waren die Entdeckungen im zweiten Obergeschoss: erst das herzogliche Wappen und gegenüber das Wappen Sebastian Hornmolds.

Diesem ersten Fund sollten sich noch viele anschließen: die als Bodenbretter zweckentfremdeten, reich bebilderten Wandvertäfelungen, die Deckenmalereien, die Überreste des alten Pfründhauses. Am ausgestellten Fachwerkmodell des Hornmoldhauses kommt Bentele auch auf die wenigen Wermutstropfen zu sprechen. Der schmale Anbau an der Westseite des Hornmoldhauses wurde bei den Sanierungsarbeiten abgerissen. Dieser Trakt war in den damals vorliegenden Quellen nicht verzeichnet. "Heute wissen wir mehr", sagt Bentele. Auch die Fenster an der vorderen Giebelfront entsprächen nicht der historischen Vorlage.

Sanierung mit landesweiter Bedeutung

Die Arbeit der Bürgerinitiative hat nicht nur zu einem Umdenken in der Bevölkerung und im Gemeinderat geführt. Dem erfolgreichen Projekt der Bietigheimer Altstadtsanierung komme durchaus landesweite Bedeutung zu, stellt Bentele rückblickend nicht ohne Stolz fest. In das Anfang der 80er Jahre verabschiedete Landesdenkmalgesetz Baden-Württemberg seien die Bietigheimer Erfahrungen eingeflossen.

Bis dahin hatte die Bürgerinitiative ihre Aufgabe, die „richtige Weichenstellung“ in Bietigheim, bereits erfüllt. Bentele setzte sein kommunalpolitisches Engagement ab 1981 im Gemeinderat fort, die Initiative setzte sich neue Ziele, diesmal zur Vorbereitung der Landesgartenschau 1989.

20 Jahre danach

Benteles Engagement für den Erhalt des Hornmoldhaus, „einige Zeit war es wohl mein zweites Zuhause“, liegt nun gut zwanzig Jahre zurück. Ein umtriebiger und vielbeschäftigter Mann ist er geblieben. Der Studiendirektor Bentele unterrichtet mittlerweile auch die Fächer Geschichte und Ethik, für die er nebenbei die Lehrerlaubnis erworben hat. Der Buchautor Bentele veröffentlicht zur Stadt- und Regionalgeschichte und in den letzten Jahren auch Jugendromane über historische Themen. Preisgekrönte Romane sind es, wie die 1997 im Stuttgarter Thienemann Verlag veröffentlichten „Wolfsjahre“. Und vielleicht kommt ein weiterer hinzu. Erst gestern habe er ein Manuskript an den Verlag geschickt. Und Zeit für einen Vortrag oder eine Lesung im Hornmoldhaus findet er auch weiterhin.

Verleihung Bundesverdienstkreuz 2021

Günther Bentele wurde am 20. August 2021 mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Überreicht bekam er es von Oberbürgermeister Jürgen Kessing im Namen des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.

Ausgezeichnet wurde er unter anderem für sein Engagement für den Erhalt des Hornmoldhauses und für seine Tätigkeiten im Bietigheim-Bissinger Gemeinderat.

 

Weiterführende Informationen bietet die 2022 erschiene Publikation von Günther Bentele über das Hornmoldhaus.

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